Seid auch ihr Eltern von Pubertieren? Ja, dieses (Hör-)buch von Jan Weiler hat uns als Familie sehr begeistert und erheitert – seitdem nennen wir diese Spezies der Pubertierenden nur noch Pubertiere. Da erzieht man mit Liebe, notwendiger Strenge und einer Portion Nachgiebigkeit seine Engel und Bengel – heraus kommen wirklich nette, wohlerzogene, sozialkompetente und glückliche Menschlein – und dann das: Sie sind keine Kinder mehr, sondern Heranwachsene! Was bisher mal gerade in echt ruhigem Fahrwasser lief und worauf man stolz sein konnte als Erziehungsergebnis wird brutal erschüttert wenn die Pubertät einmarschiert. Die gut geratenen Kinder bocken, zicken und schreien uns an, woraufhin wir anfangs halb belustigt – halb erschrocken die Augenbrauen hochziehen. Denn im nächsten Moment schon kann es sein, dass der obercoole Sohn oder die zickige Tochter zurückkehren in die zuckersüße Zeit – ins Land, in dem noch Milch und Honig flossen – und zum Einschlafen Bibi Blocksberg hören.. Dieses Auf und Ab ihrer Gefühlswelt, die nunmal zum Pubertieren dazu gehört, stellt uns Eltern auch wieder vor ganz neue Herausforderungen.
Wie soll ich im Streit umgehen mit meinen pubertierenden Teenagern?
“Austoben lassen und abwarten bis der Sturm vorbei ist” – das ist ganz oft meine Devise. Während andere dann vielleicht gern das Thema zu Ende diskutieren, lasse ich ihnen lieber den Rückzug ins eigene Zimmer. Dort können sie sich aufs Bett schmeißen, den Boxsack massieren oder einfach nur mit dicker Zornesfalte auf der Stirn alle Schimpfwörter in die Bettdecke schreien. Nicht immer hilft das, aber doch sehr häufig. Meist kommt es dann so, dass das Pubertier nach dem Austoben zu mir kommt und das Thema nochmal eine Spur sachlicher (etwas weniger aufbrausend) vorträgt. Dann kann so ruhig wie möglich diskutiert werden. “Immer Mensch bleiben!”, denke ich dann und atme tiiiiief durch, denn aufgebracht bin ich ja vielleicht auch. Einfach direkt drauflos zu schreien und zu zetern bringt ganz sicher nicht den gewünschten Erfolg.
Wichtig finde ich, dass auch mal die Teenager Recht haben dürfen. Ihnen nämlich geht es sehr wohl darum, wer hier Recht hat – uns geht es natürlich um etwas ganz anderes, aber das können die Pubertierenden nicht unterscheiden. Eigene Fehler muss man genauso zugeben können, wie wir es von ihnen verlangen. Und natürlich treffen auch wir Fehlentscheidungen. Manchmal hilft es, das Thema ein paar Stunden / Tage ruhen zu lassen und erst dann wieder aufzugreifen.
Ich versuche meinen Kindern möglichst, auch meinen Standpunkt mitzuteilen und ihnen zu erklären, wie ich mich dabei fühle – ich fühle mich dann nämlich auch schlecht: Dass ich mich sorge, dass ich sie liebe und dass ich manchmal Entscheidungen treffen muss, die sie vielleicht (noch) nicht nachvollziehen können. Nun kommt auch für uns Eltern ein ganz neuer Abschnitt – die Erziehung muss sich schließlich mit dem mentalen Wachstum der Kinder wandeln. Quasi muss sich der Erziehungsstil anpassen an die neue Situation.
Schaffen wir es, dass sich unsere Kinder nicht von uns entfremden und sie uns weiter vertrauen? Während bislang Mamas Tipps zum Streit mit der Freundin die Wichtigsten waren, könnte es sich jetzt wandeln und andere Freunde übernehmen unseren bisherigen Part. Das muss man ertragen können, ohne sich zurück gesetzt zu fühlen. Im Zeitalter der sozialen Netzwerke wird den Teenagern viel Plattform geboten, um sich auszusprechen, Fragen zu stellen und entsprechend unterschiedliche Antworten zu bekommen. Die Vielfalt ist wesentlich höher als wir das noch von früher kennen. Bei uns ist zwar Facebook & co kein Thema, doch WhatsAppen und Skypen gehören zum täglichen Begleiter – wir haben damals eine Freundin angerufen und mit ihr alles komplett durchgesprochen, analysiert und neu zusammen gesetzt, dann gab es vielleicht noch eine erwachsene Vertraute, aber dann war es das auch schon. In der großen Runde etwas zu besprechen, kenne ich persönlich überhaupt nicht von früher. Heute ist also vieles anders – und auch das müssen wir akzeptieren, auch wenn wir noch nicht so steinalt sind wie sich das jetzt anhört.
Wie also geht es jetzt weiter?
Wissenschaftler, Pädagogen und andere (ober)schlaue Menschen versuchen sich an dem Thema und bringen unzählige Ratgeber zur Pubertät auf den Markt. Ja, auch ich war versucht, etwas davon zu lesen. Ich habe mir auch tatsächlich ein paar Bücher zum Thema Pubertät ausgeliehen. Mit dem Ergebnis, dass ich nur eines gelesen und alle anderen nicht einmal aufgeschlagen und zurück gebracht habe. Dieses eine allerdings hat mich wirklich ein kleines Stückchen weiter gebracht und beruhigt.
Wer zu Hause einen Sohn mit fast 14 Jahren und eine Tochter mit fast 11 Jahren hat, wonach sich beide Kinder zeitgleich in der Pubertät befinden, kann sich selbst fast als Experte bezeichnen oder kann einem fast leid tun. Je nachdem wie man es auslegt. Oft frage ich auch meine Freundinnen um Rat, wovon manche Kinder im selben Alter und andere die Kinder schon im Erwachsenenalter haben. Ihr Rat?
Immer locker bleiben – das wird schon!
Wenn das mal so einfach wäre, denn wir Eltern möchten ja unbedingt, dass unsere Kinder glückliche, zufriedene, möglichst gut gebildete Menschen sind, die gesund und ohne große Schwierigkeiten durchs Leben gehen. Und darin liegt der Hase im Pfeffer: Ohne Schwierigkeiten können sich die Kinder nicht abgrenzen und keine eigenen Erfahrungen sammeln. Wenn wir ihnen permanent vorgeben, wie sie was zu machen haben – wie sollen sie jemals eigene Entscheidungen treffen und ihren eigenen Charakter bilden können? Ich bin nicht wie meine Mutter und diese ist nicht wie ihre war. Woran liegt das? An der Möglichkeit, eigene Meinungen über die Dinge des Lebens bilden zu dürfen und das geht auch schonmal einher mit schlechten Erfahrungen. “Versuch macht klug”, heißt es doch so schön. Geben wir ihnen doch die Chance!
Das sehen wir doch alles ein und nicken es selbstverständlich ab. Dennoch sind wir auch ein ganz winziges bisschen “Helikopter” und schwirren über unseren Kindern, damit sie nicht unsere Fehler wieder machen. Wir möchten ihnen gewisse schlechte Erfahrungen ersparen und geben ihnen Tipps und Anleitungen. Sie sollen sich ja ihre Hörner abstoßen, sich aber bitte dabei nicht allzu weh tun, denn dann blutet das Mutterherz. Um sein eigenes Richtig und Falsch zu erkunden, müssen unsere Kinder viel über das Leben lernen. Ohne Grenzen keine Grenzüberschreitungen und ohne diese gibt es keine eigenen Erfahrungen, somit auch keine eigene Erfahrung und Entwicklung.
Der goldene Mittelweg ist sicher ein Guter. Aus meinem einzigen Erziehungsratgeber zum Thema Pubertät konnte ich entnehmen, dass Kinder ab etwa einem Alter von 13 Jahren nicht mehr zu erziehen sind. Ab diesem Zeitpunkt kann man nur noch beraten! Dabei musste ich schon schwer schlucken, denn mein Sohn ist gerade genau 13 Jahre alt – und den soll ich nun nicht mehr erziehen können? Mein Mann würde es auch weniger “Erziehung” sondern “meckern” nennen – da ist er sich mit unserem Sohn mal ziemlich einig. So’n Männerdenken, schätze ich – denn ich selbst sehe meine eigenen Einwände zu bestimmten Dingen wie “Im Winter bei Temperaturen unter 5 Grad ist es nicht empfehlenswert, im T-Shirt zur Schule zu gehen!” doch eher als vorausschauenden Ratschlag, denn als Meckerei. Diese T-Shirt-Geschichte hatte sich im übrigen gestern morgen bei unserer Tochter so abgespielt und auf Nachfrage war auch festzustellen, dass sie weder Socken trug, noch ihr Pausenbrot dabei hatte – außerdem den Tornister für den falschen Tag gepackt hatte. Wenn sie das hier nun lesen würde, dann würde sie mich unter Garantie sofort verwursten! Denn jetzt ist ja alles peinlich..
Das Ergebnis: Sie kam nach Hause mit Wollmütze auf dem Kopf (diese war noch im Tornister und sah wirklich cool aus zum T-Shirt), berichtete von einer unangekündigten Arbeit (wahrscheinlich nur für sie UNangekündigt, alle anderen wussten sicherlich davon ;-) ) und sie habe weder gefroren noch habe sie von irgendeinem Lehrer Ärger bekommen – ein Schulbrot hat ihre beste Freundin mit ihr geteilt, die sonst nämlich immer ihre 2. Hälfte bekommt.
Und was lernen wir (ICH) nun daraus?
Meine Freundin Uta hat Recht: ALLES WIRD GUT, IMMER LOCKER BLEIBEN!
Vielleicht gibt euch diese kleine Geschichte und meine Gedanken dazu auch Anstoß, nicht immer alles perfektionieren zu wollen bei der Kindererziehung. Man muss auch mal Mut zur Lücke haben und die Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen lassen. Meine Freundin Sandra sagte: “Sie wird schon merken, dass es im Winter ohne Jacke kalt ist und wird morgen sicher MIT Jacke aus dem Haus gehen!” STIMMT! Doch ich gebe zu, ich muss da noch ganz viel Entspanntheit in der Erziehung lernen. Zwar gehöre ich wirklich nicht (ganz SICHER NICHT) zu den gerade viel diskutierten Helikoptereltern, die ihre Kinder bis ins Klassenzimmer bringen, ihnen die Sachen für die anstehende Schulstunde auf dem Tisch zurecht legen und mit dickem Knutscher “Lern schön, mein Schätzchen!” der gesamten Klasse der Lächerlichkeit darbieten, um sie dann mit laufendem Motor mit bereits eingeschalteter Sitzheizung auf dem Schulhof – direkt vor der Eingangstür – abholen.
Doch die Nicht-Erziehung von Pubertierenden bleibt so kompliziert wie deren Gefühlsleben. Wir sollten darauf vertrauen, dass die ersten knapp 13 Jahre unserer Erziehung so weit gefruchtet haben, dass sie stark genug sind für die Welt da draußen – und wir müssen ihnen vertrauen, dass sie gute Entscheidungen treffen können, sowie schlechte revidieren können. Wir müssen ihnen das Vertrauen schenken, ihren Weg zu finden und glücklich damit zu werden. Wir lernen loszulassen und zeigen ihnen weiterhin, wie wir die Welt sehen, hören ihnen zu, geben ihnen Halt und nehmen sie ernst. Ich glaube, das könnte ein guter Stil sein, dass sich die Kinder nicht entfremden und sich zwar abgrenzen (das müssen sie ja auch), aber uns weiter vertrauen.
Ich wünsche euch (und uns) viel Glück und Erfolg beim neuen Abschnitt des Elternseins! Das ist nämlich nicht immer nur anstrengend – wie es hier vielleicht scheint – sondern kann unglaublich viel Spaß machen, denn unsere Teenager sind doch zum wesentlichen Teil lebenslustig, anständig, verständig, großartig und herzensgut! Wir lieben sie!
Alles Liebe, eure
Nachtrag:
Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Wir haben das Glück, dass unsere Kinder noch in sehr ruhigem Fahrwasser laufen und sie uns gegenüber überwiegend freundlich und nett sind, auch in der Schule läuft es bestens. Dass man sich darüber schon mehr als glücklich schätzen kann, ist mir absolut bewusst und genau das tun wir auch!
2 Kommentare
Oh je,
da kommen wir erst noch hin und schon jetzt haben sie Bock und Zickenphasen unsere drei…oft denke ich dann “wie wird das erst in der Pubertät…”
Locker bleiben ist leider leichter gesagt als getan ;-) Aber ich werde es weiter versuchen.
Liebe Grüße von einer Namensvetterin
Stephi
Oh ja, daran kann ich mich auch noch gut erinnern. Nicht umsonst spricht man ja von der “Vorpubertät” bei Kindergartenkindern… Durchhalten und sich selbst Inseln schaffen, in denen man auch mal ganz für sich sein kann. Das finde ich beim Mama-Sein auch total wichtig!